5. Dezember 2015

Ode an die Technik von Gestern

Ich liebe Technik von Gestern.


Dabei rede ich nicht von Vorgestern. Ich red nicht von Waschrumpeln und anderem mühseligen Zeug. (Auch wenn es durchaus sehr geniale Low Tech Sachen von vorgestern gibt, die auch heute noch kaum verändert rocken)
Ich rede von Technik, die nicht am allerneuesten Stand der Möglichkeiten ist, nicht fancyfancyblingbling, aber trotzdem solide ihren Dienst tut.

Ich rede von meinem sechseinhalb Jahre alten mp3-Player, der 60 Stunden Akkulaufzeit hat (jetzt vielleicht noch 50) und ein kleines Display, das genau das anzeigt, was es anzeigen soll: Text. Er kann Formate wie .ogg und .flac abspielen, aber auch jene von Apple. Obwohl er theoretisch auch Flash-Videos abspielen kann, ist er kein fancy Mediencenter - man sieht ja auf diesen Videos fast nix.
Was soll ich mit all den heutigen, die müde 15-20h Akkulaufzeit haben, meist nur wenige Formate abspielen können, aber dafür lauter Features draufhaben, die ich alle nicht brauch? Ausnahmen, die ich mir tatsächlich kaufen würde, gibt es kaum, welche die ich mit gutem Gefühl kaufen würde, derzeit keine.

Ich rede von meinem alten E-Bookreader, der noch Tasten hat und nicht mit Wischerei bedient wird. Er tut was er soll: Ich kann damit ebooks lesen und mir Onlineartikel draufschicken um sie offline lesbar zu machen. Er schont meine Augen, er ist mobil. Ich kann die Bedeutung mir unbekannter englischer Wörter abrufen.
Ein Upgrade auf Wischbarkeit ist für mich einfach nicht sinnvoll. Statt klicken wische ich. Statt mit dem curser schnell zu dem Wort zu klicken, das ich doch mal nachschlagen will, tapse ich drauf, nur minimal schneller und ich bin sowieso immer zu faul um irgendwas nachzuschlagen. Es bringt nichts.

Oh und meine Akustikgitarre. Sie ist 30 Jahre alt, gehört glaub ich eigentlich meiner Schwester und ist nur echt mit Quackquack. (Die langsam unkenntlich ausgeblichen sind :( Leute, da oben am Foto sind Enten drauf, ok? Mami-Ente und zwei Baby-Enten.)
Klar war ich mir mit 15 viel zu cool für sowas Spießiges wie Akustikgitarren oder - noch schlimmer: ein Klavier. Aber meine e-Gitarre hab ich seit 10 Jahren nicht mehr angegriffen. Ich hab irgendwann eingesehen, dass ich beim Musikmachen ein Akustikgitarrenmädchen bin und aus mir niemals ein Punkrockbalg oder eine Metalbraut wird. Ich hab auch nie wirklich die ganzen Effekte am Effektgerät genutzt (ein ziemlich fettes Teil) und grade rockige Verzerrungen brauchen eine gewisse Lautstärke, die ich meinen Nachbarn nicht antun kann. Ich spiel auch einfach viel lieber clean. Ich mag keine Powerchords (das sind so abgespeckte Akkorde, die man verwenden muss, wenn man stark verzerrt, weil sonst der Klang völlig übersteuert) und ich zupfe viel lieber hübsche Folk-Muster mit den Fingern.
Eine Akustikgitarre ist mobil, kein Gekabel nervt, man braucht keine Zusatzgeräte (außer einem Capo und einem Stimmgerät, beides sehr platzsparend), sie hat einen schönen Klang und sie ist leichter als die elektrifizierte Version.

Was genau mich an leicht veralteter Technik begeistert?

Als INFJ, Teil eines Menschenschlags der extrem zukunftsfokussiert denkt, irritiert es mich manchmal ein bisschen, wie sehr ich teilweise an altem Zeug hänge. Wie wenig mich oft die aktuelle(re) Version überzeugt.

Aber es sind teilweise pragmatische Gründe: das ältere Zeugs ist meistens besser verarbeitet (weil in unserer Konsumkultur ja schnell was Neues gekauft werden muss, wegen Wirtschaftswachstum, und weil wir immer mehr für immer weniger Geld haben wollen), es ist oft besser durchdacht (weil sich durchgesetzt hat was funktioniert) und - es ist meistens schon da und muss nicht neu gekauft, neu produziert werden.

Und dann sind es ideologische Gründe. Ich sehe die Zukunft weit weniger high tech, als sich die meisten das wohl so ausmalen (hab ja hier schon drüber geschrieben). Wir werden uns im postfossilen Zeitalter oft wieder auf "alten Kram" besinnen müssen. Muskelkraft als Energiequelle, teilweise De-Maschinisierung. Handkurbel statt Elektro beim Kuchenteigmixen? Vielleicht. Wo wir elektrische oder gar fossile Energie verwenden wird wieder stärker durchdacht werden. Es wird auch wichtig werden, dass Geräte und Produkte an Komplexität verlieren, sodass es uns wieder leichter möglich sein wird, selbst zu reparieren. (Oder überhaupt zu reparieren...)

Ich bin mit (kunst)handwerklich geschickten und begeisterten DIY-Eltern aufgewachsen, meine Mutter lebt den Quality-over-Quantity-Gedanken. Auch das hinterlässt natürlich seine Spuren.

Ich hab übrigens schon mal darüber sinniert: Technik-Leapfrogging.
Die Beispiele, wo alles grade etwas aus den Fugen läuft, häufen sich. Letztens hat dieser Artikel seine Kreise durch die Onlinewelt gezogen, wo Apple für schlechtes Design kritisiert wird (also eines, wo die Verwendbarkeit eines Geräts stark leidet). Ist zwar länger, zahlt sich aber echt aus zu lesen!


Was ist deine liebste "veraltete" Technik?

5 Kommentare:

  1. Meine liebste "veraltete" Technik hat leider kürzlich den Geist aufgegeben: ein Nokia 3210. Im Smartphone-Zeitalter mutet ein Handy, dass ausser telefonieren und Sms schicken gar nix kann, sehr archaisch an. Dafür war es praktisch unzerstörbar, was für den Alltag als Archäologin auf Baustellen und Grabungen extrem hilfreich war. In eine Pfütze gefallen? Kein Problem, zuhause trocken föhnen und alles läuft wieder. Dummerweise unter die Räder eines Minibusses gekommen? Macht nix, nun hat das Gehäuse ein paar Kratzer mehr, aber das Innenleben funktioniert immer noch. Leider hat ein Kurzschluss dem geliebten Handy vor ein paar Monaten endgültig den Rest gegeben, aber vorher hat es mir 12(!) Jahre lang treue Dienste geleistet. Kaum vorstellbar, wo heute doch Handys nach 2-3 Jahren schon als veraltet gelten...

    LG, Julia

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    1. Das 3210! Das ist mir in den See gefallen in 1m Tiefe (nachher war der Empfang besser) und vom Pferd auf den Betonboden - nur ein kleiner Depscher. Hach!

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  2. Deinen Beitrag zu Greenpunk fand ich schon damals absolut genial. Ich sehe das genau wie du, und um ehrlich zu sein, gefällt mir der Gedanke sogar sehr. Ich habe irgendwie so eine unterschwellige Abneigung gegen alles all zu High-Technische (abgesehen von wenigen Ausnahmen)... und als öko-angehauchter Mensch liegt es mir natürlich allein schon wegen Nachhaltigkeit und Rettet-den-Planeten am Herzen.
    Außerdem bin auch ich ein großer Fan meiner alten Technik und hasse es, sie neukaufen zu müssen. Nicht nur aus Ablehnung der Wegwerfgesellschaft, sondern auch weil es eigentlich so unnötig ist (außer für die Wirtschaft). Mein MP3-Player soll bitte bis ans Ende meines Lebens halten, meine Funktionen halte ich so gut wie möglich getrennt (mit Handy mal kurz was im Internet nachschauen ist da schon das höchste der Gefühle), und ich könnte mich stundenlang über Sollbruchstellen in moderner Technik aufregen. Diese Ressourcenverschwendung! Die Abfälle! Schlimm genug, dass mein Handy nun schon wieder langsam den Geist aufgibt. Ich will nämlich kein neues (kriege auch meist ausrangierte aus meiner Familie, wobei die sich dann wiederum ja dennoch das Neuste kaufen).
    Einzige Ausnahme ist wohl mein Laptop. Ich bin doch ziemlich viel damit beschäftigt, auch in der Freizeit, und da brauche ich dann einen schnellen Prozessor, Grafikkarte etc. Mir wäre aber viel lieber, man könnte die einfach immer wieder upgraden und ich mein geliebtes Laptop behalten. Aber nein, das muss sich ja nach maximal sechs Jahren (also nach Ablauf der Garantie) komplett zerschießen, damit man auch ja schnell ein neues kauft.
    Ich bin insgesamt auch eher technik-unbegeistert. Sicher genieße ich die Vorzüge und bin ebenso daran gewöhnt wie wohl alle anderen hierzulande auch, aber ich war noch nie hinter den aktuellsten Neuerungen her und brauche eher lange, mich an diese zu gewöhnen - ich warte da auch meist eher ab, was sich durchsetzt.

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    1. Ui, wir denken voll gleich! :D
      Nimm dir doch einen guten alten Stand-PC. Du kannst da jederzeit Komponenten austauschen, jederzeit upgraden.
      Ich ringe immer mit mir. Einen Laptop kann ich halt verräumen, wenn ich Bildschirmzeit reduzieren will, und ich kann auf der Couch zocken. Aber ein Stand-PC wär sehr viel gescheiter. Und günstiger! Und nachhaltiger, man tauscht ja dann immer nur die Grafikkarte oder den Prozessor aus, oder rüstet mal so ein Streiferl Arbeitsspeicher nach. Und individueller, v.a. wenn man selber zusammenschraubt. Die Hardcoregamer, die sich jedes Jahr eine neue Grafikkarte kaufen, verkaufen die "alte" meist recht günstig.
      Ach, ich sollte wirklich wieder zurück zum Stand-PC... Ist ja auch wieder mal die "Vorgänger"-Version.

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  3. Geplante Obsoleszenz saugt einfach hart. Ich freue mich immer, wenn ich ihr ein Schnippchen schlagen kann; z.B. es irgendwie schaffe, meinen ca. 5 Jahre alten iPod noch zu bedienen, obwohl die Menü- und die Playtaste nicht mehr richtig gehen. Mein Epilierer ist jetzt 6 Jahre alt und gab langsam den Geist auf; ich hab den Akku austauschen lassen und jetzt läuft er wieder astrein. Mein Macbook packt es auch schon seit knapp 6 Jahren, zwischendurch die Festplatte austauschen lassen. Aber richtig optimal ist das alles nicht, fühlt sich eher wie ein Gegen-etwas-ankämpfen an und es nervt mich. Was richtig gutes an Technik hab ich leider nicht; eins nach dem anderen ist hin. Ich hoffe, Technik wird sich wieder in Richtung Haltbarkeit entwickeln; dafür braucht es aber noch ein gesellschaftlichen Umdenken.

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