Kannst du dir vorstellen, deinem Arbeitgeber ein Schreiben mit der
Unterschrift deines Mannes vorzulegen, in dem steht, dass dein Mann es
dir erlaubt, erwerbstätig zu sein? Nein? War aber in den 1970ern in
Österreich noch gesetzliche Realität.
Vieles, was wir Frauen heute für selbstverständlich halten
- Wahlrecht, selbstbestimmte Sexualität, selbstbestimmte Kinderplanung,
höhere Bildung, Erwerbstätigkeit, Unabhängigkeit und Beziehungen auf
gleicher Augenhöhe - wurde von einer bestimmten Personengruppe erkämpft:
den "frustrierten Männerhasserinnen, die überall ihr Binnen-I*
draufdrücken". Auch Feministinnen genannt. Denen dürfen wir dankbar
sein, dass wir uns heute in Österreich meist "nur" noch mit
Alltagssexismus herumschlagen müssen.
Das sind alles Errungenschaften, die auch in die "Männerwelt" positiv rüberschwappen.
Mit
dem Begriff "Feminismus" sind heute viele unzufrieden, weil sich das
Konzept ja längst auf alle Geschlechter ausgeweitet hat und weil er
immer noch die falsche Vorstellung "Frauen gegen Männer" weckt.
Das mit dem Patriarchat wird auch oft missverstanden. Es geht da nicht um die bösen Männer. Es geht um ein personenunabhängiges System, unter dem Männer wie Frauen (und alle dazwischen) jeden Alters leiden.
Und deswegen wehren wir Männer und Frauen uns gemeinsam gegen Mist, den
wir nicht wollen. Auf gleicher Augenhöhe, versteht sich.
Männer
sind genausowenig wie Frauen scharf drauf, sich Dinge vorschreiben zu
lassen, nur weil sie ein Mann oder eine Frau sind. Männer wollen in
Karenz gehen und ihre Kinder aufwachsen sehen, sie wollen Karriere
machen, sie wollen Techniker und Kindergärtner werden, sie wollen stark
und schwach sein dürfen, sie wollen guten Sex, ein zufriedenes Leben und
glückliche Menschen um sich herum. Genau wie Frauen auch. Vielleicht
will nicht jeder Mann das gleiche, aber das will ja auch nicht jede
Frau.
Ich denke, jeder Mensch möchte selbstbestimmt und zufrieden leben und Feminismus hilft da definitiv weiter. Und zwar Männern wie Frauen.
Dass
Feministinnen frustrierte fette Kampflesben sind, ist ein Bild, das von
Menschen erzeugt wurde, die vom Patriarchat super profitieren. Das
schreibe ich so, weil das eben nicht nur Männer sind (Männer aber die
meisten Privilegien durch das Patriarchat erhalten bzw. erhalten haben).
Wenn dann welche daherkommen und auch vom Kuchen mitnaschen wollen
(Feminstinnen zB), man den Kuchen aber für sich allein haben will und
die Kuchenbedrohung nicht einfach erschießen kann - na, dann macht man
sie eben schlecht. Das ist vielen nicht bewusst, weil es eben nicht
immer offen und bewusst abläuft und sich gerne mit dem "ganz normalen"
Alltagssexismus mischt.
Dieses falsche Bild, das in
den Köpfen der Menschen drin ist führt dann auch gern zu Sätzen, die so
beginnen: "Ich bin keine Feministin, aber...".
Aber
ich möchte wählen können ob ich Karriere mache, Hausfrau und Mutti bin
oder beides. Aber ich möchte guten Sex und ich möchte selbst
entscheiden, ob, wann und mit wem ich Sex habe und ob daraus evtl. ein
Kind entstehen soll. Aber ich möchte meinen eigenen Körper gut finden
können, wie er ist. Aber ich möchte einen Partner, der mir auf gleicher
Augenhöhe begegnet. Aber ich möchte nicht, dass mich jemand ungefragt
angrapscht. Aber meine Kinder sollen sich frei entwickeln können und
ihre wahren Talente finden. Aber ich hab keine Lust auf ein abwertendes
Frauenbild. Aber ich möchte nicht weniger verdienen als mein Kollege.
Aber ich möchte eine gute Work-Life-Balance und ich möchte, dass mein
Partner mir dabei hilft.
Was soll dieses ständige Kuschen
und Anbiedern, diese ständige Angst, man könnte plötzlich fünf Meter
lange Achselhaare bekommen?
Liebe Leserin, wenn du
dich öfters dabei ertappst, Sätze in dieser Art zu beginnen, um ihnen
feministische Errungenschaften oder Forderungen folgen zu lassen, ist es
- Huch! - nicht unwahrscheinlich, dass du dem Feminismus näher stehst,
als du denkst!
Du musst dich wegen meinem Blogbeitrag
nicht gleich als Feministin oder Feminist bezeichnen, oder alles im
Feminismus gut finden. Kritisch und selbstbestimmt sind keine Attribute,
die sich auf Feministinnen und Feministen beschränken.
Aber
bevor du das nächste Mal denkst, Feminismus ist blöd (oder "Ich bin
keine Feministin, aber...") - denk lieber nochmal genauer drüber nach
und informiere dich bei Unklarheiten.
*Die
Theorie hinter der Sache mit dem Binnen-I ist übrigens die, dass
Sprache das Denken bestimmt oder zumindest beeinflusst (Studien mit
Taubstummen und so). Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass in
unschönen Diktaturen Sprache dahingehend verändert wird, dass Begriffe
verboten werden oder durch verwässerte, euphemistische ausgetauscht, um
die Machtposition des Diktators gegen Systemkritik abzusichern.
Frauen waren immer unsichtbar. Nenne mir mal eine Komponistin des 18. Jahrhunderts! Fällt dir keine ein, was? Oder eine Naturwissenschaftlerin des 19. Jahrhunderts? Wenn du daraus fälschlicherweise schließt, dass es dann wohl keine gegeben hat, bist du genau am Problem der Sache mit der Unsichtbarkeit. Mit der Sprache hat man versucht, Frauen sichtbar zu machen. Und ganz ehrlich: Du kannst das Binnen-I lästig finden oder wichtig - allein durch die Diskussion darüber hat es seinen Zweck schon erfüllt. (Man muss aber das Binnen-I nicht zwingend gut finden, nur weil man Feminismus gut findet ;) Feminismus ist viel mehr als nur das Binnen-I)
PS: Fortgeschrittene FeministInnen mögen mir den heteronormativen Schwerpunkt verzeihen. Sprengt sonst Länge.
Frauen waren immer unsichtbar. Nenne mir mal eine Komponistin des 18. Jahrhunderts! Fällt dir keine ein, was? Oder eine Naturwissenschaftlerin des 19. Jahrhunderts? Wenn du daraus fälschlicherweise schließt, dass es dann wohl keine gegeben hat, bist du genau am Problem der Sache mit der Unsichtbarkeit. Mit der Sprache hat man versucht, Frauen sichtbar zu machen. Und ganz ehrlich: Du kannst das Binnen-I lästig finden oder wichtig - allein durch die Diskussion darüber hat es seinen Zweck schon erfüllt. (Man muss aber das Binnen-I nicht zwingend gut finden, nur weil man Feminismus gut findet ;) Feminismus ist viel mehr als nur das Binnen-I)
PS: Fortgeschrittene FeministInnen mögen mir den heteronormativen Schwerpunkt verzeihen. Sprengt sonst Länge.
Yes! Danke für den Beitrag! Schon der Umstand, dass "Kampflesbe" als Schimpfwort oder Körperbehaarung als "Gegenargument" verwendet wird kann, zeigt ja, wie nötig Feminismus noch ist.
AntwortenLöschenVielen Dank für diesen guten Beitrag! Ich bekomme mittlerweile Schreikrämpfe bei Aussagen wie "Ich bin keine Feministin, weil mein Sohn keine pinke Zahnbürstse nehmen muss" oder "Ich finde Feminismus blöd,weil ich gerne meine Achselhaare rasieren möchte, und die sind dagegen.".
AntwortenLöschenGut, dann gebt doch Euer Wahlrecht zurück und lasst in Zukunft jeden offiziellen Wisch vom (männlichen) Haushaltungsvorstand unterschreiben. Und Konto dürft Ihr auch nur aufmachen, wenn Euer Gatte Euch dazu die Einwilligung gibt. *Kopf *Tischplatte
Liebes Materialfehler, sehr guter, sehr intelligenter, sehr eloquenter Artikel. Ich habe gerade auf meinem Blof auf die aufgebrachte Antwort von "Mom" geantwortet: "Liebe MOM, es tut mir leid, wenn ich deine Gefühle verletzt habe. Nein, ich finde Feministinnen kein bißchen Ih – Bäh. Ich finde Feministinnen im Gegenteil sehr wichtig, wertvoll und unverzichtbar für mich und für die ganze Welt.Ich lebe seit Jahren vegan – dennoch bezeichne ich mich nicht als Tierrechtlerin.
AntwortenLöschenWenn ich schreibe: “Ich bin keine Tierrechtlerin” dann bedeutet das für mich erst einmal nur, dass ich mich selbst nicht so sehe, so nenne, so anfühle. Das bedeutet für mich nicht, dass ich mich nicht so verhalte, als wäre es selbstverständlich, Tieren kein Leid anzutun. Dazu gibt es noch einige Analogien. Ich bezeichne mich auch nicht als Abolitionistin und bin doch nicht für Sklaverei.
Hätte ich geschrieben, dass ich alle Feministinnen doof, stinkend und überflüssig finde, könnte ich den aufgekommenen Unmut ja verstehen. So habe ich lediglich gesagt, dass ich mir das Label “Feministin” lieber nicht selbst aufdrucke."
Es gibt tatsächlich Menschen, die leben seit Jahrzehnten ohne Tierprodukte und sagen von sich, sie seien keine Veganer. Labels SUCK.
Alles Liebe von Nina
Danke für eure netten Kommentare! :)
AntwortenLöschenIch möchte nochmal betonen, dass es mir darum geht, mit falschen Vorstellungen und Missverständnissen zu brechen, aber auf keinen Fall, herumzumissionieren.
Man kann wie Lovelyfreak Feminismus gut finden, ohne sich selbst das Label aufzudrücken. Man kann Hausfrau und Mutti sein, traditionelle Werte und Rollenbilder gut finden und trotzdem selbstbestimmt leben.
Und das selbstbestimmte Leben, das eines der Themen dieses Blogs ist, ist die zweite Motivation, warum ich den Artikel geschrieben hab. Feminismus gibt Männern und Frauen praktische Werkzeuge in die Hand, um selbstbestimmter, selbstbewusster, freier und liebevoller zu leben.
Egal ob im Alltag oder in der Wissenschaft, wenn man nicht versteht, was die Kategorie Geschlecht für einen Einfluss auf Menschen und ihr Zusammenleben hat, versteht man zB Verhaltensweisen, Machtverhältnisse, die Psyche und Literatur nicht ausreichend.
Übrigens: Wer versteht, warum wie Frauen unterdrückt wurden und werden, versteht auch die Machtverhältnisse zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen, Ethnien, Religionen und Spezies bzw. Mensch/Natur - denn die Mechanismen bei Unterdrückung und Ausbeutung sind die selben. Deswegen ist Feminismus auch in vielen Studienplänen auf den Unis fix verankert.
@Lovelyfreak, danke dass du das klargestellt hast. Ich habe dir nicht unterstellt, du würdest Feministinnen doof finden. Der Beitrag ist mir schon länger durch den Kopf geschwirrt (weil ich solche Sachen ständig und immer wieder höre), noch lange bevor ich deinen gelesen habe, ich hoffe du hast das jetzt nicht allzusehr auf dich bezogen. Aber ich dachte, da wir ja über Piratinnen gesprochen haben, könnte ich eigentlich den Beitrag auch zu dir rüberverlinken.
Ist doch ein Gewinn für uns beide. Wir haben uns gegenseitig zum Nachdenken gebracht und neue Sichtweisen verstanden.
LöschenFind ich gut!