31. Mai 2015

Archetypen: Konzept B - Yin und Yang

Ein Konzept, das sich durchgesetzt hat, um Menschen, Linien, Schnitte, Muster, Details zu beschreiben ist das von Yin und Yang. Es ist diese Skala, von der ich im letzten Posting gesprochen hab.
Es ist ein breiteres Konzept als Linien in den Körper zu malen, baut aber u.a. auf diesem Prinzip auf. Eckige, gerade Linien sind Yang und runde, gerundete Linien Yin. Man könnte auch männlich (yang) und weiblich (yin) dazu sagen – das zweite und eigentlich offensichtlichere Prinzip ist das durchschnittliche Erscheinungsbild von Männern und Frauen.

Durchschnittliches Erscheinungsbild von Männern und Frauen. Quelle: Truth is Beauty

Der Mensch ist eine Tierart, bei dem sich Männchen und Weibchen nur sehr gering voneinander unterscheiden, und sogar diese Unterschiede sind nur Durchschnittwerte. Aber sie beeinflussen stark unser Bild von "männlich" und "weiblich" (auch das restliche Blogposting, wo das Bild oben her ist, ist interessant!).
Wie ich im letzten Posting eine stilisierte „runde“ und „eckige“ Frau gezeichnet hab, werden oft Frauen und Männer in Comics, Illustrationen u.ä. gezeichnet: Je femininer eine Person, desto rundere Linien, je maskuliner desto eckigere. Im echten Leben ist weiblich und männlich nicht so eindeutig, wie auch die Bloggerin im Link erklärt hat. Auch im echten Leben ist „Mann“ und „Frau“ in Wahrheit eine Skala. Woran wird denn männlich und weiblich festgelegt? Am Phänotyp? An Linien? An Hormonen? Am Verhalten? Sich mit Archetypen zu beschäftigen kann durchaus in die Genderforschung reinkippen. Ich persönlich mag ja die Begriffe yin und yang, weil sie breiter greifen.

Die Tabelle unten gibt dir ein Überblick über die beiden Extreme, damit du ins Gefühl bekommst, was im Detail mit yin und yang gemeint ist.



YIN YANG
Genereller Eindruck
Knochenbau kompakt, zierlich, kurvig, zarte Knochen, weich, sanft, rund lang, schmal, kräftig, gerade, breite Knochen, stark, eckig
„Fleisch“ weich, kurvig, üppig, fleshy straff, gerade, muskulös
Kolorit sanft, wenig Kontrast zwischen Haut/Haare (zB Sommer, Herbst) Extrem: sehr hell, sehr dunkel, feurig, lebhaft, hoher Kontrast zwischen Haut/Haare, zB Winter, Frühling
Zunahmemuster Busen, Bauch, Gesicht; alles wird noch weicher/kurviger. Wirkt dicker als die Waage zeigt Hüfte, Oberschenkel; die geraden Linien bleiben. Wirkt schlanker als die Waage zeigt
Kopf
Gesichtsform rund, oval, herzförmig, birnenförmig quadratisch, rechteckig, diamantförmig, dreieckig
Kieferlinie weich, fließend, geschwungen markant, scharf umrissen, gerade
Kinn weich, sanft spitz, markant, scharf umrissen
Wangenknochen weiche Linien, wenig oder nicht ausgeprägt markant, ausgeprägt, wie gemeißelt
Wangen weich, „fleischig“, voll straff, dünn
Stirn im Profil gewölbt im Profil gerade
Nase weich, klein, ein bisschen breit, abgerundet sich verjüngend, schmal, lang, markant, groß
Augen groß, rund, Mandelaugen schmal, klein
Lippen voll, weicher geschwungener Lippenbogen schmal, lang, eckiger oder kaum ausgeprägter Lippenbogen
Augenbrauen Bogenförmig, sanft geschwungen gerade, markant, kräftig, dicht
Körper
Körpergröße klein (oder wirkt klein) groß (oder wirkt groß)
„Obsttyp“ Stundenglas, Birne Säule, Y
Schultern schmal, rund, abgeschrägt gerade, kantig, breit
Brustansatz hoch angesetzt (kurzes Decolleté) niedrig angesetzt (langes Decolleté)
Taille schmal (im Vergleich zu Hüfte und Rippenbogen), deutlich sichtbar Weit und gerade (im Vergleich zu Rippenbogen und Hüfte)
Torso/Oberkörper kurz lang
Becken, Hüften breit, gerundet, Hüftknochen hoch angesetzt schmal, gerade, quadratisch, Hüftknochen niedrig angesetzt
Beine kurz, rundlich, kurvige Waden Lang, schmal, gerade Waden
Arme kurz, leicht gerundet, weich, „fleischig“ lang, gerade, schlank, muskulös
Hände und Füße klein, kurz, weich, gerundet lang, schmal, knochig

Jeder Mensch (Männer und Frauen!) steht irgendwo auf der Skala zwischen diesen Extremen, vermutlich gibt es kaum jemanden, der 100% yin oder 100% yang ist. Es kann sein, dass man (teilweise) eine Mischung aus den Extremen ist, und/oder dass man (teilweise) wirklich exakt zwischen den Extremen steht.
Zum Beispiel: Eine Mischung aus Extremen ist, wenn ich in einen Kreis ein Quadrat male: Beide Linieneigenschaften („100% rund/gekrümmt“, „100% eckig/gerade“) bleiben. Irgendwo zwischen den Extremen steht eine gekrümmte Linie. Sie ist nicht linealgerade (yang), aber auch noch kein Kreis (yin).
Eine Mischung aus Extremen kann zum Beispiel sein, dass eine Frau einen Körper hat, der wirkt als wäre ein Dreieck (Schultern und Brustkorb) auf einen Kreis (Hüften/Becken) gesteckt. Sowohl das jeweilige Extrem (siehe Tabelle), als auch die Mischung aus Extremen sind ja auch für Anfänger leicht erkennbar. Wenn man irgendwo dazwischen steht, sind Linien für Neulinge schwieriger zu erkennen. Was tut man denn mit Hüften, die nicht offensichtlich eckig oder kugelig sind, Augen die weder kugelrund noch sehr schmal sind, wenn man durchschnittlich groß ist/wirkt etc.? Da wird das dann doch erst durch die konkreten Archetypen klarer, also Geduld.

Es ist auch an Frauen einfacher als an Männern. Ich denke aber, das liegt daran, dass Stil und Kleidung für Frauen ein viel verbreiteteres Thema ist, Frauen eher begutachtet (und äußerlich bewertet) werden und es daher noch viel zu wenig Inhalt zu Männerarchetypen gibt. Man vergleiche auch die Größe der Herren- und jene der Damenabteilung in Geschäften. Die Tabelle oben müsste man ein bisschen abwandeln, weil Männer im Durchschnitt(!) mehr yang sind als Frauen. Aber das Prinzip gilt für sie genauso. (Brauchst du Anschauungsmaterial? Sehr Yin und sehr Yang)

Und was für Gwand und Klamotten sind jetzt bitte yin und yang?
Yang sind gerade, lange Linien, großteilige Muster, gerade Schnitte, starke Kontraste, starke Farben.
Yin sind gerundete Linien, kleinteilige Muster, taillierte Schnitte, geringe Kontraste, sanfte Farben.

Ich finde es besser, von yin und yang zu reden, anstatt von weiblich und männlich, auch wenn viele diese Assoziationen haben, oder yin und yang sogar für sinnlose Euphemismen halten (wie Rachel vom TiB-Blog). Denn Blumenmuster zB gelten gemeinhin als feminin, es gibt sie jedoch in der yin-Version (Millefleurs zB) und in der yang-Version (sehr große, etwas abstrakte Blumen). Ein säulenartiges Maxikleid mit abstraktem Blumenprint hat genauso den Stempel „weiblich“ drauf wie ein Millefleurs-Rüschenkleid.

Du siehst in der Tabelle, dass das Thema Archetypen durchaus auch mit den Farbtypen zu tun hat. Wer sich mit denen ein bisschen beschäftigt hat, wird sicher schon bemerkt haben, dass den meisten Leuten nicht exakt jede Farbe aus ihrer Palette wirklich am besten steht, sondern dass sie sich am Wohlsten in einem bestimmten Eckerl fühlen. Das hängt neben Geschmack und Persönlichkeit auch ganz stark mit dem Archetypen bzw. Yin/Yang zusammen! Menschen, die recht yang sind, wirken meist am Besten in den dünkelsten, kräftigsten, knalligsten Farben in ihrer Palette und können starke Kontraste gut tragen (natürlich immer noch jene innerhalb ihrer Palette). Yinny Menschen dagegen stehen meistens die sanfteren, helleren, weicheren Farben, kombinieren Farben lieber mit niedrigem Kontrast.
Meine Freundin N, deren Schultern ich für das letzte Posting ausgeborgt hab, und ich haben zum Beispiel den selben Farbtyp (True Winter). Wir haben sogar eine sehr ähnliche Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe (was ja auch nicht unbedingt sein muss, nur weil einem die selben Farben stehen). Aber in der True-Winter-Palette sind wir bei ganz verschiedenen Farbgruppen daheim – sie bei den dünkelsten, ernstesten, mattesten und simpelsten Farben, ich dagegen bei den strahlenden intensiven Edelsteinfarben.

Das ist jetzt alles natürlich noch recht abstrakt, ich wollte hier erst mal nur das Konzept erklären. Hoffentlich wird dir das alles von Posting zu Posting klarer! Es ist zugegeben ein eher komplexes System, das eher den Einsatz von Bauchgefühl statt Maßbändern verlangt, was nicht jedem von Anfang an liegt. Aber das wird schon! Ich finde Archetypen einfach genial, mir hat noch nie etwas dermaßen geholfen.
Aber selbst wenn du auch am Ende der Reihe noch den totalen Knoten im Kopf hast oder die Archetypen wirklich blöd findest, bekommst du sicher trotzdem Ideen und Inspiration, die dich weiterbringen.
Und bitte mich auch ganz dringend mit allen Fragen löchern, die du hast!

Wo meinst du, stehst du? Eher bei yin oder eher bei yang?

15. April 2015

Archetypen: Konzept A - Linien

Bevor wir uns aber auf das lustige Thema Filmrollen stürzen, wollte ich als erstes noch ein sehr grundlegendes Konzept erklären, die Linien.

Das Prinzip bei den Linien ähnelt jenem der Farbtypen: wiederhole in deiner Kleidung die Farben/Linien, die in deinem Körper vorkommen.

Was genau sind jetzt die Linien, auf die man achtet?

Linien im Körper - welche Comicfigur wärst du?

Wir haben hier ja Kaffeehausstimmung, und so hätte ich dir das auch auf einer Serviette erklärt:

Blog-Award krieg ich für meine Schmierpapier-Illu sicher keinen haha! (Falls es nicht klar ist: das sind stilisierte Körperformen von Schultern, Rumpf, Hüften)

Links ein stilisiertes Beispiel für eine Frau, die  in ihrem Körper sehr runde Formen hat. Rechts eine Frau mit ganz eckigen Formen. Es gibt auch noch Dreiecke und Ovale und S-Kurven und Zickizacki und Mischungen und Mitteldinger und weiß der Teufel was noch. Ja, es geht hier um Eindrücke - wie würde man einen Menschen in eine 2D-Comic-Figur übersetzen? Oder karikieren? Du als Hauptfigur in einem Adventure - wirst du eher mit dem Kurvenlineal oder dem Geodreieck gezeichnet? Oder beiden?

Was kann nun alles rund oder eckig sein? Besonders auffällig sind natürlich Schultern, Hüften, Kiefer/Kinn und Lippenbögen. Auch die Körperhöhe und Silhouette zählt zu den Linien. Aber man könnte wenn man wollte noch viel mehr Linien sehen, Nasenflügel, Augenbrauen, Fingerkuppen und wie die Zehen stehen und so. Die sind nicht an oberste Stelle relevant, aber gehören zum Gesamtbild natürlich mit dazu.

Linien und Kleidung - Schnörksel vs. Geometrie

Es gilt als harmonisch, wenn man diese Linien in seiner Kleidung wiederholt.  Das fängt im Großen an: wer zum Beispiel sehr lang wirkt, wirkt super in Sachen, die zu dieser Länge passen und sie auch betonen (Maxikleider, hui! Sehr viel besser meist als knielange Kleider in diesem Fall). Das klappt auch im Kleineren: wer aus vielen runden Linien besteht, der empfindet meist auch gerundete Muster, Schuhspitzen, Schmuck als am Passendsten.
(Das alles kommt noch viel genauer, jetzt gehts nur ums Prinzip!)

Auf die Schnelle fallen mir auch zwei Beispiele ein:
Hier ist Rooney Mara, ziemlich eckige Dame. Wirkt super in eckigen, edgy Sachen. Ich weiß nicht, wer sie hier bitte in lauter rundes Zeug (in diesem Fall die Locken) gepackt hat. Man erkennt sie kaum wieder. WTF?
Kate Winslet dagegen ergibt in Locken (und Schnörkselrankenspitze) absolut Sinn. In Divergent haben sie sie in ganz cleane gerade Linien gepackt (Kleidung, Frisur), ich hätte sie fast nicht wiedererkannt.

Verstehst du ein bisschen, was mit Linien gemeint ist?

Diese Linien kann man wie gesagt auch am restlichen Körper sehen. Es gibt zum Beispiel sowohl bei Männern als auch bei Frauen schnurgerade Schultern, die mit der Wasserwaage ausgerichtet scheinen und es gibt ganz gerundete Schultern, von denen Träger so gerne runterrutschen. Es gibt unabhängig vom Geschlecht Hüften, die wie ein Kreis wirken und welche, die eher ein Quadrat sind. Runde, quadratische oder rechteckige Handteller. Auch Zehen können im Halbkreis stehen oder einen schnurgeraden Abschluss haben (so als ob sie eben für runde oder gerade Schuhspitzen prädestiniert wären) Lauter solche Sachen.

Links runde, rechs eckige Linien im Schulterbereich.
Selbe Körpergröße, selbe Haarfarbe, selber Farbtyp, selbes Kleid. Und doch ist in diesem Bild links und rechts alles so anders. Links, das bin ich. Schmale gerundete Schultern, weich wirkende Oberarme. Rechts, das ist meine Freundin - was bei mir gerundet ist, ist bei ihr linealgerade. Wie unsere Schlüsselbeine liegen, wirkt bei mir wie eine leichte Kurve, bei ihr wirkts ganz gerade bis fast schon leicht dreieckig. Die Schulterlinie Hals-Schultergelenk ist bei mir geschwungen, bei ihr viel geometrischer. Zick-zack-zick. Sogar ihr Schultergelenk ist genau betrachtet keine Kurve, sondern eckig. Deswegen hab ich hier bei mir einen Kreis und bei ihr ein Quadrat dazugemalt, um das zu demonstrieren. Unsere Oberarme - bei mir folgt die Außenlinie einer leichten Kurve, bei ihr gehts - zack - schnurgerade runter. Witzig auch, dass man sogar in diesem kleinen anonymen Ausschnitt sieht, wie komplett unterschiedlich das selbe Cocktailkleid an uns sitzt. Während man bei mir genau sieht, dass sich da weiter unten eine deutliche Taille verjüngt, gehts bei meiner Freundin fast ganz gerade runter. Das Kleid war für ihren geraden Körper nicht schmeichelhaft.
Auf den ersten Blick bild ich mir auch immer ein, ich würde das Oberteil besser ausfüllen als meine Freundin, dabei sind einfach nur die Linien an meinem Körper passend - ausfüllen tun wir das Oberteil beide nicht :D

Das mit den Linien wird bei den Archetypen nicht zu stark im Detail gesehen. Es wird auch niemand mit dem Geodreieck abgemessen. Es geht stärker um Eindrücke: Wirkt dieses Gesicht, diese Schultern, Arme, Hüften etc. im Gesamtbild eher kantig auf mich oder eher weich und rund? Was fällt mir als erstes auf? Wie sind die Proportionen im Groben? (Langer Körper, kurzer Körper, Taille eng oder gerade, Schultern breit oder schmal etc.) Interessant wird es, wenn jemand zwar maßbandtechnisch eine stärker ausgeprägte Taille hat, die jedoch im Vergleich zu den starken Schultern einfach nicht auffällt.

Ich sehe in meinem Gesicht sehr viele runde Linien. Sowohl mein erster Eindruck ist "rund", als auch die Details. Lippenbögen, Nasenflügel, Ohrläppchen, Unterlippe - alles ziemlich exakte Halbkreise eigentlich. Mein Kiefer ist gerundet und nicht grade scharf geschnitten. Meine Augen sind runde Rehaugen. Meine Zehen stehen im Kreis. Ich bin zu einem überwiegenden Großteil "ähnlich" wie die linke Frau auf der Schmierpapier-Illu, nur wengier üppig und von Natur aus nicht lockig.
Es klappt gut, wenn ich diese Eigenschaften auf meine Kleidung übertrage: Mir stehen am besten runde Ausschnitte, Creolen und tropfenförmige Ohrringe und Schnörkselmuster. „Eckiges“ wie eckig-geometrische Muster oder eckige Ausschnitte etc. wirken hart und fremd an mir.
Meine Freundin vom oberen Beispiel wirkt super in cleanen Schnitten und geometrischem Understatement. Das gibt ihren symmetrischen, recht ausbalancierten und eher eckigen Körper wieder. Runde Formen wie oben das Kleid sind, wie man auch in diesem Ausschnitt erahnen kann, ziemlich seltsam an ihr.

Aber nicht alle Menschen sind so eindeutig entweder „rund“ oder „eckig“, es ist eher eine Skala, an der ich zum Beispiel stark (aber nicht 100%) am „runden“ Ende steh oder Rooney Mara stark (aber nicht 100%) am „eckigen“ Ende - kommt noch alles. Also keine Panik, wenn du jetzt grade an dir selbst vielleicht noch nicht ganz so schlau wirst (und wenn du auch noch nicht ganz kapierst, was ich in der Beschreibung meiner "symmetrischen Freundin" gemeint hab). Das mit den Linien soll ja auch erst mal das Konzept erklären und dein Auge schulen.

Welche Linien siehst du bei dir selbst? Hast du jetzt auch Angst, Menschen zu lange anzustarren, weil du ihnen gedanklich Linien drauf malst? Hast du Fragen?


9. April 2015

Archetypen

Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, wie man seinen Stil findet.
Für manche Menschen ist Kleidung vor allem Kunst – einige Designer sind sogar so experimentierfreudig, dass ihre Kleidung und Schuhe gar nicht unbedingt dafür gedacht sind, sie anzuziehen, sondern reine Kunstgegenstände sind. Die Frage, was guter Stil ist, orientiert sich hier wohl an ähnlichen Gesichtspunkten, wie sie auch für bildende Kunst gelten.
Die vermutlich meisten Menschen möchten durch ihre Kleidung ihr Innerstes darstellen, ihre Werte und ihren Geschmack. Guter Stil passt dann zu Charakter und Persönlichkeit. Das ist die „Software“, über die ich schon ansatzweise geschrieben hab (und über die ich später doch noch mehr bringen möchte).
Ein weiterer Ansatz sind die Archetypen. Sie bleiben auf der Oberfläche, was sie aber deswegen nicht uninteressanter macht. Hier wird versucht, aus Kleidung und Körper ein harmonisches Bild zu gestalten, indem die Kleidung den Körper sozusagen imitiert. Es wird äußere Authentizität angestrebt.
Diese Konzepte lassen sich aber auch wunderbar verbinden, sodass jeder sich aus allem rauspicken kann, was er mag.

Was sind Archetypen? Da hab ich jetzt selber nachschauen müssen. In der Philosophie und der Psychologie sind das offenbar bissl verschiedene Dinge. Ich kenn mich leider mit beidem nicht aus. Ich habs so verstanden, dass Archetypen Vorstellungen von bestimmten sozialen Rollen sind, die der Menschheit ureigen ins Hirn gebrannt scheinen. Egal aus welcher Kultur oder Zeit, jeder hat ein ähnliches Bild vor Augen, wenn er die Begriffe Weise Frau, Krieger oder Mutter hört.
Die Archetypen auf den Stil bezogen, liegen stärker auf einer popkulturellen Basis und sind bestimmt auch ziemlich eurozentristisch. Aber wir alle haben ebenfalls ein sehr homogenes Bild vor Augen, wenn wir Begriffe hören wie Girl next Door, Amazone oder Hell's Angels Biker. Ein bisschen sind Archetypen auch wie Filmrollen, oder?
Kleiner Teaser: Hast du dich nicht auch schon mal gefragt, warum manche Schauspieler bestimmte Rollen so besonders glaubwürdig verkörpern oder (bei Literaturverfilmungen zB) unterschiedliche Schauspieler in den selben Rollen nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen Interpretation der Rolle ganz anders wirken? Manche Leute sind richtig prädestiniert für bestimmte Rollen - Tilda Swinton als überirdische Vampirfrau, oder Jennifer Aniston als lässig-starkes Girl next Door. Adrien Brody könnte nie eine Kante von Biker spielen, und Monica Belucci wäre als kumpelhafte Hiphopgöre auch nicht so wirklich glaubhaft. Diese Frage nach Filmrollen wird hier dann recht zentral (und hoffentlich unterhaltsam) sein. 

Bei den Farbtypen haben wir schon gesehen, Menschen empfinden es als harmonisch wenn die Kleidung körpereigene Farben wiederholt. Mensch und Hülle werden zu einer authentischen Einheit, wodurch wir das Gefühl haben, wir sehen den Menschen selbst (und nicht seine Kleidung). Wie wir eine Farbe wahrnehmen, hat mit dem Kontext zu tun, in den wir sie setzen. Die Farbe Lachs wirkt neben Kürbisorange wie Rosa und neben Fuchsia wie Orange. Setzen wir unseren Körper in den falschen farblichen Kontext, wirkt er seltsam: Ein True Summer wirkt gelblich und kränklich in Rostrot, ein True Winter angestaubt bleich in sanftem Taubenblau. In den jeweiligen passenden Farben dagegen ergibt alles Sinn.
Bei Archetypen geht’s um das gleiche, nur statt Farben sind es nun Linien und Formen und Vibes.

Archetypen sind ein bisschen komplexer und auch abstrakter als Farbtypen, es gibt leider auch eher wenig Info im Netz (weswegen ich mich schon so lange dafür drücke, diese Reihe zu schreiben).
Namen haben die Archetypen im Netz auch andere: Image Identity, Image types, Style Identity, Archetypes, Style Archetypes, Essences, Kibbe types (David Kibbe ist ein Stilberater, der auf Basis der Archetypen arbeitet(e)) sind mir alle schon mal untergekommen.
Nachtrag: Man muss nur aufpassen, dass sich nicht alle Stiltypen die man im Netz findet auch wirklich auf die "Hardware" beziehen. Die meisten gehen von der "Software" aus: Persönlichkeit, Geschmack, Lebensstil. Das Verwirrende dabei ist leider, dass viele Stiltypennamen gleich verwendet werden.

Es gibt vier Konzepte, die man verstehen muss, um die Archetypen zu verstehen. Die werd ich natürlich als erstes versuchen zu erklären und auch mit Anschauungsmaterial versehen.
Dann wird es konkret: es gibt natürlich StilberaterInnen, die diese Konzepte anwenden und ihre eigenen Stilsysteme/Archetypensysteme daraus gebastelt haben. Die beiden verbreitetsten werde ich vorstellen und auch möglichst viel Anschauungsmaterial verlinken.
Was dann kommt, weiß ich noch nicht – es kommt ganz auf eure Fragen zu dem Thema an und was mir sonst so am Weg noch einfällt.Vielleicht auch Ideen, wie man trotzdem Inspiration draus ziehen kann, auch wenn einem das doch eher abstrakte Konstrukt nicht so zusagt. Mal sehn.
Auf jeden Fall gibt’s dann hier in diesem Einstiegsposting ein Inhaltsverzeichnis.

Die Archetypen gehören zur Blogreihe Operation Kleiderschrank.

Inhaltsverzeichnis
Konzept A: Linien
Konzept B: Yin und Yang
Konzept C: Filmrollen und Essences
Konzept D: Stil
System A: Kibbe
System B: Kitchener

1. April 2015

Obst und Körperproportionen

Heute geht es um Körpertypen, die ich persönlich immer nur "die Obsttypen" nenne. Ich glaube, wir alle kennen sie: Birne, Apfel, Säule, Sanduhr, Dreieck.

Ich brauch da ja nicht viel drüber schreiben, die Obsttypen sind aus diversen Frauenzeitrschriften bekannt, wenn auch nicht in tiefergehenden, praxisnäheren Details -

zu denen möchte ich dir diese vier Quellen empfehlen:


Die Modeflüsterin - Sehr guter deutschsprachiger Blog zum Thema, richtet sich zwar an Frauen jenseits der 35, das heißt ja nicht dass man sich als jüngere nicht auch was mitnehmen könnte.

How to look good - Unter der Rubrik "dress for your shape" habe ich zum ersten Mal eine Anleitung gefunden, die nicht davon ausgeht, dass kleine Frauen automatisch auch eine knabenhafte Figur haben. Es gibt ausführliche pdfs mit Tipps zu den jeweils empfohlenen Kragenformen, Hosenschnitten und Farbwahl.

Trinny and Susannah - über diese beiden Frauen stolpert man oft im Netz. Sie unterscheiden viel feiner zwischen den Körperformen und bringen realistische Alltagsbeispiele. Infos findet man zum Beispiel hier und hier.

Inside Out -  Auch hier gibts unter Body - Body Shapes alltagsnahe Bilder und Tipps, über die du wahrscheinlich auch auf pinterest schon gestolpert bist. Auch viele andere Tricks finden sich hier, nicht nur Obsttypen.


Tut mir leid für jegliche Herren, die hier mitlesen (lesen hier überhaupt Männer mit?), aber ich hab nur Infos für Frauen gefunden. Die grundlegenden Prinzipien wie Proportionen, Goldener Schnitt und "Blickpsychologie" sind aber universell und in der Praxis flott umübersetzt.

Es mag vielleicht nicht immer alles funktionieren (bei mir Birne loosen zB die empfohlenen A-Linienröcke voll ab), aber man schult auf alle Fälle seinen Blick.

Es ist auch ein guter Einstieg in das Thema Archetypen, das ich ab nächster Woche präsentiere.

Nachtrag: Anuschka von into-mind hat hier ihre Gedanken zu den Obsttypen aufgeschrieben. Ich wollte das Thema neutral präsentieren, aber finde ihre Sichtweise durchaus berechtigt. Ich bin selber kein Fan von den Obsttypen und würde zB Trinny und Susannah in ganz vielen Punkten/Makeovers massiv widersprechen. Aber wer was hilfreich findet, ist halt individuell. Und wenn man sagt, Körpertypen sind Mist, jeder soll anziehen können, was er/sie will, dann hat das für mich auch den Subtext von "Jedem steht alles" - was halt leider nicht stimmt. Was hier nämlich mitschwingt ist: ... und wenn es dir nicht steht, ist was mit dir verkehrt. Ich hab selber ein paar Dinge aus den Links oben mitnehmen können, auch wenn ich die Archetypen halt einfach wirklich enorm hilfreicher gefunden hab, die sind zwar komplexer, haben aber eine weitaus höhere Zufriedenheitsquote. Letzlich gilt aber: Jeder ist anders, jedem hilft was anderes, jedem sagt was anderes zu.

Die Obsttypen sind Teil meiner Operation Kleiderschrank.

Ich bin eine Petite Pear, und du?





25. März 2015

Farbtypen: Schummeln und Umfärben

Na, in der (etwas längeren *hust*) Zwischenzeit schon deinen Farbtyp bestimmt? :)
Wahrscheinlich hast du mittlerweile festgestellt, dass die Sachen in deinem Schrank nicht immer optimal für deinen Farbtyp sind.
Aber deswegen gleich alles raushauen? Nicht unbedingt nötig (außer es sind Sachen, die du sowieso nicht so gerne getragen hast, dann freut sich wer auf der Tauschparty sicher drüber). Aber wenn du sowieso im Ausmistmodus bist, dann nur zu!

Ich hab jedenfalls zwei Ideen, wie du unpassende Sachen trotzdem weitertragen kannst: Schummeln oder Umfärben. Die können dir bei der Durststrecke helfen, bis du den farbtypgerechten Kleiderschrank beisammen hast (so du das wünscht), oder auch bei Neukäufen. Weil man nicht ganzjährig alle Farben findet (im Frühling kommen die Frühlingsfarben in die Geschäfte, im Sommer Sommerfarben, etc. ), oder weil man für den Wunschlook ein paar fremde Farben dazumischen will, oder weil was auch immer.

Und sowieso: Das Farbtypenzeugs nur bis zu dem Punkt anwenden, wo es dir wirklich was bringt. Sobald es nervt, ist es ja uncool.

Alternative 1: Schummeln


  • Je näher eine Farbe beim Gesicht ist, desto wichtiger ist es, dass sie mit der Haut harmoniert. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass du dich nabelabwärts austoben kannst. Und du kannst einfach ein Halstuch in der richtigen Farbe dazukombinieren und schon passts wieder. Manchmal wirken sogar schon größere Ohrringe oder ein Lippenstift.
  • Je kleiner die Fläche, desto geringer auch die Wirkung auf deine Haut. 
  • Ein Mosaik aus hauptsächlich kalten Farben wirkt insgesamt kalt. Siehe auch den tollen Beitrag von der Modeflüsterin.
  • Wenn Anmalen kein Problem für dich ist: Mal dir halt den Gegenpol zu einer zu knalligen oder zu dunklen oder zu sanften oder zu hellen Farbe ins Gesicht. Es wird nicht perfekt sein, aber Otto-Maria Normalverbrauchsi wirds eh nicht checken. Noch besser ist farbtypgerechtes Makeup - laut Modeflüsterin (Link oben) rettet besonders Lippenstift aus deiner Palette einiges.
  • In Nachbarpaletten wildern: Wenn du als True Summer beim Light Summer klauen gehst, schau halt drauf, dass es die neutraleren Töne sind und nicht die wärmeren. Ein True Spring kann sich getrost auch mal bei den helleren und leuchtenderen True Autumn Farben bedienen. Es wird nicht besonders optimal sein, aber da die meisten Leute eh nur anziehen, was ihnen gefällt und nicht, was ihnen steht (jetzt wo du deine Augen mit den Farbtypen geschult hast, wird dir das in der Ubahn sicher schon auffallen), wirds kaum jemand bemerken.
  • Es gibt Situationen, wo es wichtiger ist, dass du die richtigen Farben anziehst. Bewerbungsgespräche, Diplomprüfungen, Projektpräsentationen zum Beispiel - überall wo du kompetent rüberkommen willst. Und es gibt Situationen, wo es wurschter ist, ob du die richtigen Farben anhast. Die Leselampe auf der Unibibliothek, dein Fernseher oder die Langhantel werden sicher nicht die Nase rümpfen. Auch deine Freunde mögen dich in allen Farben.
  • Man kann mit ein paar Tricks auch fremde Farbtypen imitieren. Dadurch, dass ja jede Palette hellere, dünklere, intensivere, zartere, schlichtere, fröhlichere usw. Farben hat, es in jeder Palette eine Version von Rot, Grün, Gelb, Violett, Blau etc. gibt, ist das oft gar nicht so schwer. Man pickt sich da einfach die Farben aus der eigenen Palette, die zum gewünschten Vibe passen (Waldelfe, Glamour, Klassisch, Hippie, was auch immer) und ergänzt sie bei Bedarf durch Klauen in Nachbarpaletten (das dann auf den kleinen Flächen, siehe auch Mosaiktrick). Ich hab mich hier auf Pinterest irgendwann mal mit dem True Winter gespielt und hier für eine grünliebende Freundin die recht blaustichige True Summer Palette grünifiziert.

Alternative 2: Umfärben. 

Es gibt von Simplicol und Dylon Daheim-in-der-Waschmaschine-Färbesets, aber auch viele Textilreinigungen und Änderungsschneidereien bieten einen Umfärbeservice an.

Dabei sollten aber (neben dem Üblichen, das auch bei der beliegenden Färbeanleitung bzw. auf der Herstellerseite steht) ein paar Dinge beachtet werden:

  • Das Ergebnis ist nicht sicher voraussagbar. Also nicht unbedingt gleich schon beim Lieblingsteil testen.
  • Pass auf, dass es nicht zu dunkel wird. Lieber nach dem System "dünne Farbschichten übereinander". Es kommt immer auf die Ausgangsfarbe an (auf der Simplicol-Seite gibts einen Farbmischer, der einem eine Ahnung gibt)
  • Die Ausgangsfarbe kann ein sehr ausschlaggebendes Kriterium sein, besonders wenn man für einen klaren Typen färben möchte. Ein hellbeiges Kleid wird nie wirklich klar und leuchtend :( Das klappt nur mit einer schneeweißen Ausgangsbasis
  • Nähte bleiben leider immer im Originalton, weil die üblicherweise aus strapazierfähigem Synthetikgarn sind. Auch für Stickereien gibt es keine Garantie, dass die 100% mitgefärbt werden. Ich hab mir allerdings schon öfters bei Schwarzfärbungen mit einem schwarzen Textilstift beholfen und die Nähte halt dann händisch nachgefärbt. Sollte wohl auch bei anderen Farben klappen (aber nur den Faden erwischen! Sonst hat man patzige patscherte Farbkleckse rund um die Naht).
  • Wenn es darum geht, ein zu kühles Shirt wärmer zu bekommen, empfehle ich eine dünne Schicht Maisgelb. Ein zu warmes Shirt wird mit reinem Buntstiftblau (dünne Schicht!) kühler. Eine zu knallige Farbe kann ein Soft-Typ mit Safari sanfter bekommen, ein True Summer wählt dann vielleicht lieber ein Reingrau.
  • True Winter und die beiden Bright Typen schauen eventuell bei dieser Methode durch die Finger. Ich habe bis jetzt nur bei einem Tuch geschafft, eine wirklich strahlende, klare Farbe zu bekommen (ihr kennt doch diese typischen Tücher aus den Ethno-Geschäften? So gewebt, in vielen Farben erhältlich und immer mit so roter Sanskrit-Schrift und Buddha drauf. Das Zeug lässt sich aus irgendeinem Grund echt genial gut färben!). Wirklich leuchtende Ergebnisse hab ich bis jetzt nur bei Maisgelb und Apfelgrün gesehen (True Spring, aber auch für Bright Spring geeignet!). In den letzten Jahren hat Simplicol außerdem die Produktpalette verändert, die Farben sollen insgesamt viel sanfter geworden sein (die Sommertypen haben wohl Glück gehabt).

Hast du auch noch ein paar Ideen?

18. März 2015

Kleiderschrank! Weiter gehts!

Jaaaaaaaa, ich mach ja schon weiter.
Frau DingDong und das Apfelmädchen haben mich ärmelzupfend weichgekrigt. 

Hier zum wieder Warmwerden der Titelpost zur Kleiderschrankreihe mit Inhaltsverzeichnis.

Ich schau, dass ichs hinkrieg, jeden Mittwoch zu posten.
Als erstes schieß ich euch noch den letzten Farbtypenbeitrag und einen über die "Obsttypen" nach, die warten schon so arm seit Monaten in den Entwürfen und vor allem die Obsttypen sind ein super Einstieg zu den Archetypen danach. Die werd ich in kleinere Happen aufteilen, nicht nur weil ich Frau Dingdong mit zu viel Geschnatter Ideen auf einmal ein bissi überfordert hab, sondern weil es auch für mich der Kompromiss ist, der dieses Projekt neben dem Uniabschlussstress möglich macht. Die Archetypen sind leider nicht grade verbreitet im Netz, da muss ich viel selber erklären. Ich hoffe, das gelingt mir. Stell mir also wie immer auch alle Fragen die du hast!
Wenn du einen Anstupser in die richtige Richtung brauchst (wie: "du wirkst wie Typ x oder y, teste die beiden mal"), aber dein Foto nicht öffentlich zeigen willst, gibts jetzt auch ein Kontaktformular :) (aber schreib bitte in den Kommentaren, dass ich Post hab, sonst überseh ich das).

Also dann, bis nächsten Mittwoch! :D

13. Februar 2015

Netzgedanken

Diese Woche gabs auf Ö1 eine Sendereihe zur Frage, "Was macht das Netz mit uns?" (den Link zum 7-Tage-Nachhören findest du rechts in der Twitter-Leiste) .

Erstens


Ich weiß, was es mit mir macht. Es zerstreut mich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Konzentration, Motivation, Energie zerstreut es. In tausend flatternde Teile. Da kurz was nachschauen, dort kurz was tippen. Automatisch 10 Tabs offen.
Ich weiß aber auch, was das Netz mit mir macht, wenn es nicht da ist. Der Tag ist konzentriert und motiviert und sehr befriedigend (selbst wenn er faul mit Buch auf der Couch verbracht wird).
Egal wie lang ich in einem Buch (oder Ebookreader) lese, ich fühl mich danach frisch und konzentriert. Egal wie lang ich im Netz verbringe, ich fühl mich danach irgendwie Matsch.

Und SCHWAPP! Gefangen im Netz. Quelle


Was ich nicht verstehe ist, warum das Netz das mit mir macht. Das konnte mir auch die Radioserie nicht wirklich erklären. Und gehts eigentlich allen so, oder nur mir und noch ein paar anderen?
Aber wenn ich mich so umschaue, dann kann eh gefühlt keine Sau mit dem Netz sinnvoll umgehen. Alle hängen sie permanent drin, zu einem nicht kleinen Teil für ihren persönlichen Geschmack zu viel. Klar gibt es auch ein Dorf von unbeugsamen Technik-Noobs wie meine 66jährige Mutter, die tatsächlich nur alle paar Tage mal ein Wörterbuch oder Wikipedia aufruft oder sich das neue Chorlied auf Youtube anhört. Die Frage ist: Was können wir anderen von denen lernen?

Zweitens


Mir ist es schon länger bewusst, dass ich mehr Zeit im Netz verbringe, als ich das möchte (oder es mir gut tut). Mindestens seit 2009, als ich durchaus mit Genugtuung aus Facebook, studiVZ und myspace ausgetreten bin, sowie meinen Account in einem intensiv genutzten Forum gelöscht habe. Sich von Social Media abzumelden ist ja ein sehr effektiver Schritt.
Irgendwann 2011 oder 2012 hab ich intensive Internetferien einlegen können. Dank Leechblock/Stayfocusd waren mir - MUAHAHAHA -  666 Stunden lang (ich weiß ich bin kindisch) nur mein Email-account, eine Wörterbuchseite und das Programm von Ö1 zugänglich. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hab ich diese Internetferien fürchterlich genossen. Nach Ablauf wusste ich gar nicht so recht, wo ich jetzt eigentlich hinschauen soll.
Kalter Entzug funktioniert bei mir immer wunderbar, besonders hilfreich waren die regelmäßigen kurzen Internetferien in den letzten 9 Monaten. Jedes Sabbatical hat unnütze Netzgewohnheiten durchbrochen und mir meine Prioritäten noch stärker klargemacht.

In den letzten Wochen war meine Lösung ja die, dass mein Modem bei meinem Freund im Regal wohnt. Das ist dann aber auch nicht das Optimalste. Denn so wird die Zeit, die wir miteinander verbringen, zu einem zu großen Teil von mir alleine mit dem endlich-wieder-Internet verbraten. Ich schäme mich, aber so war es eben. Die andere Alternative war, auf die Uni zu gehen. Dort ist es mir aber peinlich, zu viel Zeit oder überhaupt auf zB pinterest zu verbringen. Und Bankgeschäfte etc. will ich über das unsichere Uninetzwerk auch nicht erledigen. Außerdem ist die Luft dort auf der Bib so schlecht, dass mein Kopf immer nur Watte ist und ich eh nix arbeiten oder langmächtig recherchieren könnte.

Manchmal bin ich grantig und würde am Liebsten das Netz überhaupt komplett ausmisten, Internetanschluss abmelden und basta. Aber: Kein Internet ist auch keine Lösung. Auch abgesehen von manchen äußeren Zwängen: Es gibt Dinge, die mich im Netz tatsächlich bereichern oder mir weiterhelfen. Es gibt eine Handvoll Blogs, die ich gerne lese, Radiosendungen zum Nachhören, die ich sonst immer verpasse und sowieso die praktischen Sachen (Emails, Onlinebanking, Rezepte, Fahrpläne). Nur - für diese Dinge brauche ich nicht täglich online sein. Einmal die Woche ein paar Stunden sind für mich genau die richtige Menge.
Leider weiß das meine Sucht noch nicht.( Ist es eine Sucht? Ich bin doch aber so glücklich, wenn ich offline bin.) Derzeit kann ich irgendwie nur entweder - oder. Entweder online, aber dann die ganze Zeit oder offline, aber das dann dafür mindestens tagelang komplett. Mir fehlt beim Netz der Mittelweg. Es muss doch irgendwie gehen, das blöde Netz nur für die Vorteile zu nutzen, und die Nachteile alle dezent fallen zu lassen!

Bis jetzt hat es mir geholfen, browserfreier zu werden und bestimmte Internetinhalte offline oder über geschlossenere "Plattformen" zu nutzen. Konkret, meine Emails über die app am Tablet abrufen, Artikel nur noch über den (echt empfehlenswerten!) Offlinereader Readability lesen, Blogs per Email abonnieren. Die Gefahr des Weitersurfens über den Browser, entweder durch automatisches Taböffnen oder Links, wird vermindert und es fühlt sich auch nicht so wie Surfen an, wie Internetberieselung.
Was ich schon gut abgehakt hab, das sind Internetverpflichtungen. Das ist für mich alles, wo man sich aus irgendeinem Grund irgendwie verpflichtet fühlt, regelmäßig und über längere Zeit hinweg zu lesen oder teilzunehmen. Einen Blog oder Forum zu haben, Admin zu sein, einen Thread betreuen, ja sogar nur zu kommentieren oder lesen. Kann Spaß machen und bereichern, kann aber auch nerven. Für mich waren das früher besonders Foren. Der Blog hier wäre auch fast zur nervigen Verpflichtung geworden, aber zum Glück lernt man ja.
Eine andere Strategie, die ich parallel zu den Internetferien angewendet habe, war das Ersatzprogramm. Warum versinke ich überhaupt in die Internetberieselung, welche Seiten rufe ich auf? Befriedigt mich das tatsächlich, oder würde mich was anderes eigentlich glücklicher machen? Zwangsläufig braucht man natürlich während der Internetferien ein Ersatzprogramm, man will ja nicht auf Ewig die Wohnung putzen. Unterhaltung, Entspannung, Sozialkontakte, Wissen findet man auch hier: Büchereien, Kabarett und Theater, Spieleabende, Freunde treffen, Musik hören, selber Musik machen (statt Youtube, hm?), Vorträge und Kurse besuchen, Radio und Zeitung, sich was von anderen Leuten zeigen oder erklären lassen. Und statt Katzengifs anzuschauen kann man auch Haustiere von Freunden oder Tierheimbewohner intensiv anschmusen. Statt Internetzeitung zu lesen hör ich selber eigentlich lieber die Radionachrichten auf Ö1. Die reichen mir wirklich. Alles kurz und knackig und passieren tut eh immer nur negativer Müll. Das reicht auch 5min. Wenn ich ganz autoaggressiv drauf bin, auch mal das Mittagsjournal. Mein persönliches Ersatzprogramm sind aber vor allem Bücher und Musik.

Und überhaupt.


Alle sind im Netz. Es ist selbstverständlich. Es kann ja auch tolle Sachen. Demokratisches Verbreiten von Wissen zum Beispiel. Aber was, wenn die tollen Sachen nur 10% vom Netz ausmachen? Aber was, wenn es uns zu 90% der Zeit nur im Weg steht?
Warum häng ich dann wieder drin, verdammt, nur weil das blöde Modem wieder da ist?

Ich muss mir auch immer wieder vor Augen halten, was meine Motivation dafür ist, das Internet nur noch sehr eingeschränkt zu nutzen.
Zum einen vermisse ich die Zeit, wo ich 16 war und das Internet ein kostbares Gut, das mit Minutentaktung zeitlich begrenzt war. Krrrchz dongidong und so. Ich hatte damals irgendwie alle für mich relevanten Vorteile des Internets, aber gleichzeitig einfach auch so viel Freizeit und Motivation für Hobbies. Zum anderen passt es gerade gut in meine jetzige Phase der Internetnutzung. Ich habe das Gefühl, die Zeit der großen Entdeckungen ist vorbei. Diese Zeit war für mich 2006-2009:  Kritik an Konsum/ Leistung/ Wachstum/etc., alternative Verhütungsmethoden/ Kosmetik/ Menstruationsprodukte/ Ernährung, Einfaches Leben, Minimalismus, Linux. Es war eine Zeit, wo jeder Besuch im Netz meinen Horizont erweitert hat und meine Synapsen fröhliche Funken sprühen ließ. Jetzt grade... Gelangweiltes Stirnfransen-in-die-Höh-Pusten. Alles schon gesehn, alles schon gehört. So fühlt sich das an, und dabei komm ich nur einfach nicht aus meiner Internetblase raus.
Aber muss ich das? Ich will gar nicht. Ich bin gesättigt. Ich bin ernüchtert. Ist vielleicht gar das gesamte Netz eine Blase?

Und du? Was sind deine Netzgedanken?


PS: Apfelmädchen denkt grad über Datenschutz nach und ob sie all die Onlinedienste überhaupt braucht.

14. Januar 2015

Zweitausendfünfzehn

Das Jahr ist jung (so jung, dass es übermütig ist. 20 Grad letztens, echt jetzt?), aber diese Gedanken heute sind älter - über die Feiertage konnte, gedankenverloren in das Schneegestöber starrend und die Finger am Milchtee wärmend, über das nachgedacht werden, was schon seit einiger Zeit in einem arbeitet.

Aus überschäumendem Enthusiasmus ist schleichend Pflicht geworden. Schlechtes Gewissen, wenn man gegen das ungeschriebene (achwas, ungeschrieben. Überall brüllt es einem entgegen!) Bloggergesetz der 1-3x Wöchentlichkeit verstößt. Der Druck, immer interessanten Content auf der Zunge (der Tastatur) zu haben. Die spontane Schnapsidee mit dem Adventskalenderschnelldurchlauf wurde echt zum Klotz am Bein - die Reihe bleibt daher bewusst unvollständig.

Wer jetzt denkt, das sei der Auftakt zu einem Abschiedsposting, irrt, wer vielleicht gar ein Tränchen drücken möchte, rührt (schließlich sind wir ja noch ein Miniblog, der quasi noch in die Windeln kackt). Aber so schlimm ist es dann auch wieder nicht.
Uns ist nur bewusst geworden, dass Bloggen zwar sehr nett ist, aber nicht zu unseren zentralen Hobbies gehört.

Unser People-Pleasing und auch unsere Wunschvorstellungen waren uns ein bisschen im Weg, aber nun können wir (mit trotzdem noch ein bisschen Bauchweh) unser Blog-Motto für 2015 announcen:

Musenkuss

Wir möchten es wieder ruhiger angehen lassen. Wir sind Minimalistinnen und wir möchten uns auf das Wesentliche konzentrieren, anstatt zig Hobbies nebeneinander so halbert nachzugehen. Auch wenn das Bloggen nicht mehr zentral ist, den Blog einstampfen möchten wir deswegen auch nicht gleich.
Deswegen möchten wir, ohne selbstgemachten Druck, nur noch dann schreiben, wenn uns grade die Muse küsst. Weil man nicht gleichzeitig bloggen, klettern, singen, renovieren, lesen, garteln, heiraten, tratschen kann.

Das ist für uns gar keine so einfache Entscheidung, grade jetzt wo wir immer wieder neue Leser dazubekommen (vor allem, weil wir in anderen Blogs verlinkt werden, zum Beispiel von Apfelmädchen/sadfsh und Frau Dingdong, wir freuen uns immer furchtbar wie die kleine Schnitzerln und fühlen uns so geehrt und stolz!). Und doch immer noch so grasgrün hinter den Blogger-Lauschern sind.

Aber wollen wir den Leistungsdruck und den Wachstumswahn, der uns da draußen schon so am Arsch geht, wirklich hier in den Blog lassen? Wie lässt sich Bloggen mit unserem Wunsch nach weniger Bildschirm vereinbaren? Kann man unserer kleinen, aber feinen Leserschar es zumuten, wenn nur noch monatlich oder so was kommt? Oder läuft ihr uns dann alle davon? :( Miep!

Wie denkt denn ihr drüber? Als Leser, als Blogger? 

28. Dezember 2014

Ein weiteres Jahr Minimalismus - wir blicken zurück (7)

Dass es doch so viele Bereiche gibt, wo einem Minimalismus was bringen kann! Heute haben wir uns u.a. von diesem Adventskalenderbeitrag von Frau Dingdong inspirieren lassen.

Heute geht es um Arbeitsplatz, Kreativität und mentales Gerümpel.

22. Dezember 2014

Ein weiteres Jahr Minimalismus - wir blicken zurück (6)

Und weiter geht der lustige Rückblick! Heute geht es um neue Bekanntschaften, Freundschaften und Arbeitskollegen/Networking/Teamwork.
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