22. Januar 2014

Minimal-Bad-Strategien (2): falsche Bedürfnisse

Oder: Die Seifenblasen am Boden der Realiät (nicht nur im Badezimmer!)

Letztes Mal gings um das Herausfinden der eigenen Bedürfnisse bei Kosmetik, um eine Wurzel des Übels "überfülltes Badezimmer" an den Hörnern (an den Mykorrhizen?) zu packen. Manchmal wird aber mit Kosmetik (und beliebig anderer Waren) versucht, Bedürfnisse zu stillen, die ganz andere Wege zur Befriedigung brauchen.

Angst vor Untreue? Mit Creme die Beziehung kitten! (Quelle)


Jeder Mensch hat Wünsche und Träume, die nicht immer mit der Realität vereinbar sind. Oft verhelfen uns diese Wünsche und Träume zu Motivation, Werthaltungen und Inspiration, aber oft genug verhelfen sie uns nur zu einem überquellenden Badezimmer.

Viele Bedürfnisse werden ja bekanntlich von der Wirtschaft, Kosmetikindustrie und Werbung erschaffen. Da können wir vielleicht getrost die Schuld auf den Kapitalismus abwälzen, was uns aber nicht aus der Verantwortung nimmt, mit Argusaugen über unsere Bedürfnisse und deren Nutznießer zu wachen.

Manchmal verlagern wir Bedürfnisse aus einem Bereich in unserem Leben in einen anderen, in dem diese aber nicht gestillt werden können. Wir haben Angst vor dem Alter (und vor dem Sterben) und kaufen uns Anti-Aging-Produkte. Wir möchten geliebt werden und kaufen uns Foundation. Wir möchten Anerkennung und kaufen uns das neueste Smartphone. Wir brauchen Sicherheit und Geborgenheit und stellen uns die Bude mit Vorräten und Deko und Wolldecken voll. Wir möchten ein anderes Leben führen und kaufen uns neuen Nagellack. Wir möchten etwas Besonderes sein und ein bisschen elitär und lassen uns daher gerne besonders sensible Haut und andere Empfindlichkeiten einreden (die Prinzessin auf der Erbse wurde ja auch durch ihre Empfindsamkeit als Mitglied der Elite erkannt).
Niemand ist davor gefeit, nichtmaterielle Bedürfnisse versehentlich ins Warenangebot zu verschieben.

Sei ehrlich mit dir selbst. Wie viele Produkte in deinem Badezimmer erfüllen tatsächlich ihren Zweck (und sei er meinetwegen, dass du dich im finsteren Winter über fröhlich bunte Fingernägel freust), und wie viele stehen da herum, weil du dir falsche Vorstellungen über die Befriedigung deiner Bedürfnisse gemacht hast? Weil du geträumt hast, während du eingekauft hast?

Das geht natürlich weit über das für so manchen langweilige Thema Kosmetik hinaus. Das wissen wir ja, fast die gesamte heutige glitzernde Warenwelt, die über Nahrung, Schlafen, Gesundheit, Lernen und das Dach übern Kopf hinausgeht, spricht unser Fantasieavatar an. Ich habs in der Überschrift die Seifenblasen am Boden der Realiät genannt, Francine Jay nennt es prägnanter Your Fantasy Self.

Bei der Kosmetik hab ich nie so das Problem gehabt. Eher zB beim Nähen. Ich wollte mich selber gerne als jemanden sehen, der Rokoko-Roben, Renaissancegewänder und aufwändige Cocktailkleider nähen kann (beziehungsweise die Geduld dafür aufbringt). Ich hatte daher massenhaft Stoff zuhause...


Was sind deine Seifenblasen? (Muss nicht unbedingt das Thema Kosmetik betreffen)


Dies war Teil 2 meiner Minimal-Bad-Strategien. Die anderen Teile findest du hier:
Teil 1: Bedürfnisse
Teil 3: Fehlkäufe
Teil 4: Produkte reduzieren

1 Kommentar:

  1. Bei Kosmetik fahre ich furchtbar auf Nagellack und dekorative Kosmetik ab. In 98% der Fälle geb ich mich allerdings mit Kajalstift und Puder zufrieden. Ich traue mich nicht mal, meine Vorräte zu sortieren und abzufotografieren, Schande über mich!! Nur gut dass ich vieles davon geschenkt bekommen hab - die Mutter einer Freundin ist Kosmetikerin und bringt ihr sackerlweise die Überbleibsel der letzten Saisonpaletten.

    Außer top geschminkt wäre ich gerne noch eine Basteltante. Kann mich aber dazu zwingen, nur EINE Schachtel mit Perlen, Glitzer, Glöckchen, Bänder und Lackfarben zu haben. Den Traum einer Frida Kahlo hab ich letztes Jahr erfolgreich aufgegeben, indem ich alle Rohmaterialien (Leinwände, Farben, Strukturpasten) meiner Cousine geschenkt habe, die tatsächlich regelmäßig malt. Ich hatte Angst davor, aber es war sehr befreiend.

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